Anekdoten / Kurzgeschichten Die dreizehnte Tür Minuten der Stille ohne Zeit und Raum

Die Tanne vor meinem Fenster

Die Tanne vor meinem Fenster

Sie mochte so um die sechzig Jahre zählen, die Tanne vor meinem Fenster. Nun ist ihr Leben zu Ende gegangen. Sie wurde gefällt.

Ihre Kraft schien zu weichen. Sie konnte sich nicht mehr versorgen. Ihre Nadeln wurden braun und fielen ab, bedeckten wie Schneeflocken den Boden.

Dennoch beherbergte sie krank und schwach Eichhörnchen, Elstern, Zaunkönige, Blaumeisen und Ringeltauben. Familie Grünspecht war zu Gast. Sogar ein Falkennest hoch oben in der Krone des Tannenbaums wurde mit Erfolg bebrütet.

Es war ein Geschenk die ausladenden Zweige gefüllt mit Leben zu genießen und daran teilzuhaben.

Und dann zog sich das Leben nach und nach aus ihren Früchten und dem Nadelkleid zurück. Was blieb war ausgemergeltes zerbrechliches Geäst.

Laut ratterte die Kettensäge, nahm dem Baum die kranken Zweige und teilte den Stamm in handliche Stücke zum Abtransport.
„Wassermangel und Borkenkäfer“, so die Analyse. Zwei Worte und eine Spur von Sägemehl war alles was blieb.

Vor meinem Fenster ist eine Leere. Hin und wieder kommt ein Eichhörnchen, schaut sich um, buddelt nach vergrabenen Leckereien und springt davon.

Den Vögeln habe ich ein Futterhaus aufgestellt und befüllt.
Noch ist es verwaist.

Doris Lauck

www.senioren-allueren.de

 

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