Wie das Ei zum Osterei wurde
Es war einmal vor vielen, vielen Jahren auf einem Bauernhof, am Ortsrand gelegen, zu einer Zeit, da die Menschen noch auf herkömmliche Art lebten, ihre Nahrung selbst erzeugten und mit der Natur im Einklang die Felder bewirtschafteten.
Auf jenem Bauernhof gab es eine Kuh und ein Kälbchen, zwei Pferde, ein Hund, fünf Katzen, ein Eber mit drei Mutterschweinen und einundzwanzig Ferkelchen. Und es gab eine Menge Hühner, dazu zwei Hähne die ständig miteinander kämpften. Hasen gab es auf dem Bauernhof keine. Wozu auch? Hatte der Bauer Lust auf einen Hasenbraten, so ging er ins Feld, legte eine Schlinge aus und fing sich einen Hasen.
Eines Tages verirrte sich ein kleines verwaistes Hasenkind. Zufällig kam es zu dem besagten Bauernhof und traf dort auf Tiere, die es zuvor noch nie in seinem Hasenleben gesehen hatte.
Vorsichtig schaute sich das Häschen um, denn die Sache war ihm nicht geheuer. Hinter dem Bauernhaus traf es auf eine Glucke mit ihrer Kinderschar, und der kleine Hase war hin und weg von den putzigen Wattebällchen, die piepsend der Glucke folgten, in der Erde scharrten und an Grashalmen knabberten. Das Häschen gesellte sich zu ihnen, schubste die kleinen laufenden Wattebällchen vorsichtig mit seinem Näschen an, worauf diese piepsend auseinanderliefen, sich wieder zur Glucke hin orientierten und das Spiel ging von neuem los. Vom Spielen müde geworden krochen die niedlichen Wattebällchen unter die Glucke, die ihre Mama war und schliefen ein. Das Häschen kuschelte sich daneben, und weil es ein weiches, wärmendes Fell hatte krochen nach und nach einige der kleinen Küken zum Häschen und ließen sich von ihm wärmen. Der Glucke kam das sehr gelegen, so hatte sie nicht die ganze Verantwortung für die kleine Rasselbande.
Von da an waren Hase und Huhn unzertrennlich. Der Bauer hielt sich den Bauch vor Lachen, und die Bäuerin schüttelte den Kopf über die närrischen Viecher.
Aus den niedlichen Küken wurden eierlegende Hennen, und aus dem lustigen Häschen wurde ein trauriger Hase, der einsam in der Ecke saß und über sein nutzloses Leben nachdachte. Und wie er so nachdachte und mit dem Kopf wackelte, dass die Ohren hin und her flogen, über die Hühnereier streiften und auf den Eiern Schmutzspuren hinterließen weil der Hase vergessen hatte seine Ohren zu waschen, lobten die Hühner den Hasen, besorgten ihm Farbe und hießen ihn die Eier anzumalen. Der Hase tauchte ein Ohr in eine Farbpfütze und das andere Ohr in eine andere Farbpfütze, strich mit den Ohren vorsichtig über die Eier und die Hühner applaudierten mit den Flügeln. Der Bäuerin blieb vor Staunen die Sprache weg und ihre Kinder aßen von nun an nur noch bunte Hühnerhaseneier. Auch die Kinder der Nachbargehöfte brachte ihre weißen Eier zum Bauernhof am Ortsrand um sie vom Hasen mit den Hasenohren bemalen zu lassen.
Seit dieser Zeit erhalten alljährlich zum Frühlingsfest, das wir heute Ostern nennen, die Kinder bunte Hühnerhaseneier und das Osterei war geboren.
Doris Lauck www.dorislauck.de
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