Lyrik – mein schönstes Gedicht Minuten der Stille

Knabe und Waldschnecke

Knabe und Waldschnecke

Du fandst am kühlen Gras mich hangen,
In meinem Haus verkrochen, scheu.
Ich kannt` kein Glück, kannt` kein Verlangen,
Trug nur mein Haus auf mir so treu!

Da fiel`s dir ein mich fortzutragen
Weit aus dem nächtigen Wald hinaus –
Am ganzen Weg hört` ich dich sagen:
„Schneck, Schneck, steck deine Hörner raus!“

Doch zog`s auf deine Zauberworte
Ganz . . . ganz aus meinem Hause mich –
Du trugst mich fort zu schönrem Orte,
Wo Sonnenschein spinnt wonniglich . . .

Und hat an mir sich satt gesehen
Und nun auch satt gefreut dein Sinn,
So hör auch auf mein letztes Flehen:
Wirf mich nicht fort – wo immer hin!

Laß unter deinem Fuß mich enden!
Zu Tode, rasch mich noch zerdrück!
Ich weiß nicht mehr, wohin mich wenden,
Ich find` den Weg nicht mehr zurück . . .


Die Lieder der Mormonin Leipzig

Verlag von Hermann Dürfelen 1889

 

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