Kinder Kurzgeschichten Weihnachten

Kaspergeschichten Teil 1

Kasper – Nikolaus – Maximilian – Hieronymus

Kasper, Gretel und Großmutter entstammen einem alt eingesessenen
Adelsgeschlecht, dessen Familienoberhaupt stets die Großmutter
väterlicher Seite war. Großmutter lenkte die Geschicke des Hauses und
achtete darauf, dass alle männlichen Nachkommen auf den Namen

Kasper – Nikolaus – Maximilian – Hieronymus

getauft wurden.

Die weiblichen Nachkommen erhielten den Namen Gretel.

In jenem Jahr, als abermals ein Kind erwartet wurde, setzte der Frost schon
früh ein und alle Anzeichen deuteten auf einen sehr strengen Winter hin.
In Sorge um Heizmaterial und Nahrung für den langen Winter reiste
Großmutter zu ihrer Schwester in das benachbarte Königreich. Hier gab es
große Wälder und reichlich Wild.

Dort angekommen umarmten sich die Schwestern in überschwänglicher
Freude über das Wiedersehen. Sie plauderten bis tief in die Nacht. Jede
Schwester wollte so viel wie möglich vom Leben der anderen Schwester
erfahren, und zu Ehren des lieben Besuches wurde ein Fest gegeben mit
Tanz und akrobatischen Darbietungen, und die Schwestern wurden nicht
müde, sich immer wieder zu umarmen.

Inzwischen war es auch im Königreich frostig geworden. Großmutter
blickte besorgt zum Himmel. „Es sieht nach Schnee aus.“ Die Schwestern
stellten Holz und Warenlieferung zusammen, Großmutter zahlte mit
Silberdukaten aus dem alten Familienschatz und bereitete alles für die
Heimreise vor. Bald würde das neue Kind geboren werden und bis dahin
sollte sie zu Hause sein. Eine letzte Umarmung, ein letztes Winken,
dann ging es heimwärts.

Die Rückreise verlief zügig, bis sie in einen schrecklichen Schneesturm
gerieten. Es gab kein Weiterkommen. In einer Schutzhütte harrten sie Tag
um Tag aus, bis sich der Schneesturm endlich legte. Die Weiterreise ging
nur schleppend voran. Hohe Schneeverwehungen führten die Reisenden
oftmals in die Irre, denn alle Orts- und Straßenschilder waren zugeweht.
Viel zu lange dauerte die Heimreise und als sie es endlich geschafft hatten,
war die Freude riesengroß als sie mit lautem Babygeschrei empfangen
wurden. Das Kind war geboren und es war ein Junge, ein neuer

Kasper – Nikolaus – Maximilian – Hieronymus.

Weil zu jener Zeit Neugeborene am Tag ihrer Geburt getauft wurden, damit
die Seele des Kindes vor den Anfechtungen des Teufels geschützt ist und
da Großmutter der Taufe nicht beiwohnen konnte, wurde ihr zu Ehren ein
zweites Tauffest gefeiert. Man lud zu diesem Fest auch den Priester ein und
hieß ihn als Gast der Familie willkommen. Nicht unbedingt willkommen
erschien ohne Einladung der in die Jahre gekommene listige Zacharias Simsala,
ein Verehrer von Großmutter, dem nicht zu trauen war. Ihm sagte
man geheime Zauberkräfte nach. Einzig Großmutter konnte er nichts anhaben,
weil er Zeit seines Lebens in sie verliebt war.

Jeder noch so große Zauberer kapituliert vor der Liebe. So auch Zacharias Simsala.
Großmutter wusste um diese Liebe und hielt ihn einerseits auf Distanz und andererseits
machte sie ihm schöne Augen. Sie bat ihn lächelnd zu Tisch. Er durfte neben ihr sitzen
und mit der Familie speisen.

Es gab gebratenes Hühnchen im Spagettinest mit Tomatensoße und
Blattspinat. Dazu wurde ein leichter Weißwein gereicht und für die Kinder
gab es Himbeersaft, der mal gelb, mal blau, mal grün schimmerte. Doch
sobald der Priester hinsah, wechselte die Farbe in ein leuchtendes Rot.

„Du solltest lieber die Uhr vorgehen lassen, als den Priester zu ärgern“,
flüsterte Großmutter Zacharias Simsala zu. Die Müdigkeit der langen Reise
steckte ihr noch in den Gliedern und außerdem war der Kamin
runtergebrannt und die Kälte umfing die Füße und kroch bis zu den Knien
hoch.

Mit dem Blick zur Uhr, die kurz vor Mitternacht anzeigte, hob Großmutter
die Tafel auf. Man ging zu Bett, der Priester nächtigte im Gästezimmer und
Zacharias Simsala verabschiedete sich von Großmutter mit einem galanten
Handkuss und einem sonderbaren, verschmitzten Lächeln.

Dieses verschmitzte Lächeln ließ in Großmutter ein mulmiges Gefühl
aufkommen. Sie traute ihm einfach nicht. War er an dem unverhofften
Schneesturm beteiligt, der sie auf der Reise gefangen hielt? Wollte er,
dass sie verspätet heimkommt um bei der Taufe nicht anwesend zu sein?

Etwas stimmte nicht, das fühlte sie. „Ich werde ein Auge auf ihn haben“,
schwor sie und ging zu Bett.

Fortsetzung folg

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